DeLFI09 – meine Eindrücke und Twitter-Erfahrung um #bel09

Am liebsten hätte ich meine Eindrücke aus der  DeLFI Jahrestagung 2009 direkt im Anschluss beschrieben, doch das Leben ausserhalb von Twitter & Co. holte mich einfach schnell ein. Nun komme ich aber dazu, zu bloggen. Es ist vielleicht besser so – die Eindrücke sind noch frisch genug und die gesunde Distanz nach einer gewissen Euphorie ist wieder da.

Zunächst kurz zu meinen allgemeinen Eindrücken. Die Konferenz war für mich in Großen und Ganzen organisatorisch und inhaltlich gelungen. Was mir am  Programm gefallen hat waren die Vielfalt von Themen und der Projektbezug zahlreicher Beiträge, u.a. die Hearings zu Medida Prix. Minuspunkte gibt es vor allem für die “Podiumsdiskussion” (kein Austausch mit dem Publikum) und “Kekse” (keine Verpflegung bei der Pre-Conference) .

Überrascht hat mich auch wie häufig das Thema E-Assessment (im Sinne: E-Examination/Online-Prüfungen) und wie wenig das Thema E-Portfolio angesprochen wurde. Nachhaltige Kompetenzentwicklung und lebenslanges Lernen sind zu kurz vorgekommen. Gibt es hierzu wenige gute Beispiele aus der Praxis?

Unter den vielen durchaus interessanten Vorträgen und Berichten habe ich nur wenige als inspirierend und wegweisend empfunden.  Zu einer tieferen Reflexion hat mich vor allem Gabi Reinmann mit “iTunes statt Hörsaal” gebracht.

Neben vieler bereichernder persönlicher Begegnungen, habe ich einen besonderen Mehrwert aus meiner Twitter-Erfahrung rund um den Hash Tag #bel09 gezogen. Diesen Mehrwert konnte ich auf mehreren Ebenen vermerken. Ich versuche es veranschaulich anhand unterschiedlicher Funktionen von Tweets zu beschreiben. Die folgende Liste ist nur eine erste Ideen-Sammlung zu all den möglichen Funktionen, welche Tweets als Sprechakte während der DeLFI-Tagung erfüllt haben konnten:

1. Berichterstattung: Dank dem wahren Reporter-Spirit vieler #bel09-Twitterer, wurde ich über Kernaussagen, Daten und Fakten zu Vorträgen aus parallelen Tracks regelmäßig informiert. Manchmal waren die Berichte ziemlich detailliert, so dass ich einen roten Faden, z.B. für ein Keynote, leicht rekonstruieren konnte. Die Berichterstatter-Tweets haben mir einen Micro-Einblick in das Geschehen, an dem ich gerade nicht beteiligt war, ermöglicht. Das hat mich dazu motiviert, mich an diesem gemeinschaftlichen Austausch aktiv zu beteiligen und ebenfalls zu berichten. Dabei habe ich vor allem an andere DeLFI Twitterer und Nicht-Twitterer, an meine Arbeitskollegen und an die Menschen, die die Tagung “von außen” anhand von #bel09 verfolgen konnten, gedacht.  Dadurch wurde ich plötzlich gedanklich mit mehreren, bekannten und unbekannten Menschen über einem geteilten Kontext vernetzt.

Beispiele für Berichte-Tweets:

  • Jetzt @ talljohann: “Feedback zu Übungen” in der Session eAssessment im Stanford (1.OG). #bel09
  • Publikumspreis des #medidaprix geht ans imb Augsburg. #bel09
  • Jetzt Keynotes von Wolfgang Coy über WIkipedia und Wissen im Netz #bel09

2. Ressourcenaustausch: Einige Tweets waren primär da, um einen Link oder eine wichtige Information mitzuteilen. So konnte ich z.B. Projekt-Webseiten aus Vorträgen in parallelen Tracks sofort abrufen und bookmarken, Medida-Prix-Hearing als Live-Stream und Fotos aus der Tagung in Flickr anschauen.

Beispiele für Ressurcen-Tweets:

3. Meinungsaustausch: Einige Tweets wurden mitgeteilt, um persönliche Meiningen und/oder Ansichten auszutauschen. So hatte ich schnell einen Überblick gewonnen, welche Meinungen zu wechen Vorträgen bzw. Themen auf der Tagung herrschen und welche Präferenzen z.B. was Medida Prix betrifft, dominieren. Aus diesen Informationen konnte ich mir eine eigene, breite Public-Opinion-Map konstruieren. Ohne Twitter wäre es nur teilweise möglich gewesen (Gespräche in den Pausen), vor allem weil ein Format zum Meinungsustausch im größeren Plenum, nicht vorhanden war.

Beispiele für Meinungs-Tweets:

  • Ganz tolle unterhaltende einleitende, knackig-kurze und schöne Rede!! #bel09
  • Der Vortrag wirkt unstrukturiert. #bel09
  • Nichts neues, dennoch interessant und amüsant #bel09

4. Mobilisierung: Manche Tweets hatten einen Appell-Charakter. Das Wort “mobilisieren” gefällt mir an dieser Stelle jedoch besser. Diese Tweet hatten die Funktion, Organisatoren und/oder andere Teilnehmende zu einer bestimmten Hadlung zu aktivieren. So beispielsweise lösten sowohl der bereits angesprochene Verpfelgungsmangel am Pre-Conference Tag als auch die beiden Keynotes am ersten Konferenztag ein Twitter-Gewitter aus. In den zahlreichen Tweets wurden kollektiv auch meine Wünsche und Erwartungen in die Welt getragen. Es gab auch Tweets, die starke  Präferenzen zu Medida Prix Kandidakten an das Publikum und vor allem an die Jury richteten. Für mich war es interessant zu erfahren, welche Positionen es grundsätzlich gab. Mein Favorit hat es auch zum ersten Platz geschafft, ohne dass ich ein Tweet darüber verfasste (sic!). Mehrmals wurde auch um ein Twitter-Wall getwittert.  Diese wurde dann auf Wunsch angezeigt (meiner Meinung nach leider zu selten). Diese kollektive Mobilisierung über Twitter war in einigen Bereichen ziemlich effektiv.

Beispiele für Mobilisierungs-Tweets:

  • Ja!! Bitte unbedingt Kekse mitbringen! Sie sind die Rettung! #3el09 #bel09
  • Liebe Jury, Wir sind alle für Augsburg ! medidaPrix #bel09
  • Könnte man auf der Leinwand eine Twitterwall zeigen? Bitte bitte bitte! #bel09

5. Selbstoffenbarung: In einigen Tweets kamen vor allem Selbstbefinden und Selbtsverständnis, persönliche Eindrücke und Erfahrungen zum Ausdruck. Aus diesen Tweets konnte ich erfahren, wie es gerade den einzelnen Personen ging, was ihre Gefühlslage war. Und ich konnte natürlich mein Befinden und meine Eindrücke anderen mitteilen. Dadurch hat sich eine Vernetzung auf emotionaler Ebene herausgebildet. So habe ich z.B. erfahren, dass auch die anderen Teilnehmenden ziemlich enttäuscht waren, dass es keine Diskussion mit dem Publikum bei der abschließenden Podiums-Runde gegeben hat. Ein Tweet zu diesem Problem hat auch meine Gedanken treffend ausgedrückt.

Beispiele für Selbstoffenbarungs-Tweets:

  • Außergewöhnlich inspirierende Gespräche in den letzten drei Stunden geführt. #bel09
  • Na, dann freue ich mich auf unsere zukünftigen Twitteraustausche. 🙂 #bel09
  • Hier sitzen 200 Experten im Raum und dürfen sich nicht an der Diskussion beteiligen. Vielen Dank. #bel09

6. Lokalisierung: Einige Tweets hatten eine deutliche Ortsbestimmungsfunktion. So konnte ich erfahren, dass ein Schal gefunden wurde und sich im Foyer befindet (hat mir in diesem Beispiel persönlich nichts gebracht, weil ich weder kein Schal vermisste noch eine Person kannte, der dieser Schal gehören konnte, aber der Vorteil für jemanden, dem der Schal gehörte liegt auf der Hand), dass die ersehnten Kekse im Foyer deponiert wurden und dass das Buffet endlich eröffnet wurde 😉

Beispiele für Lokalisierungs-Tweets:

  • ein gestreifter Schal wurde gefunden und bei der Anmeldung im Foyer abgegeben ##bel09
  • die kekse habe ich. sind im foyer deponiert… #bel09
  • Das Buffet ist eröffnet! Es gibt Essen im Restaurant “Kubus” auf der Rückseite des Foyers und im Restaurant im Hotel. Guten Appetit!#bel09

Angesichts der Mehrschichtigkeit unserer Äußerungen, versteht sich von selbst, dass jeder Tweet mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllt haben konnte. Die Funktionen, welche ich oben beschrieben habe, waren für mich in der jeweiligen Situation besonders markant. Na ja, ist schon eine Interpretationssache.

Und noch zum Schluss: twittern machte mir einfach Spass! Es war zum einem ein gutes Gehirn-Jogging bei Vorträgen, die mich eher unterfordert haben. Zum anderen hat das Twittern teilweise zum kognitiven Overload bei anspruchsvolleren Vorträgen geführt. Ich gebe es zu, abends ging mir die Puste aus!

P.S.

Als Anregung: Tweets können anhand der Modelle der Sprachfunktionen analysiert werden, z.B. nach der Sprechakttheorie von Austin und Searle, nach dem Organon-Modell von Karl Bühler oder nach dem Kommunikationsmodell von Roman Jakobson, nach der Theorie des kommunikativen Handels von Jürgen Habermas oder nach dem Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun.

Ich freue mich auf Kommentare, Ergänzungen zu Tweet-Funktionen und auf passende Beispiele!

7 thoughts on “DeLFI09 – meine Eindrücke und Twitter-Erfahrung um #bel09

  1. Pingback: Twitter Trackbacks for DeLFI09 – meine Eindrücke und Twitter-Erfahrung um #bel09 « Mediendidaktik 2.0 [ibuchem.wordpress.com] on Topsy.com
  2. Interessante Beschreibung!

    Ich nehme an mir wahr, dass mich “zwitschern” während des Zuhörens zum Mitdenken, Querdenken und Nebenher Denken animiert – nicht jedoch zum Abdriften oder Dösen, wie früher bei Konferenzen (brauche was “zu tun”, um aktiv zu bleiben.

    Liebe Grüße, Jutta

    Unser Twitter-Rendevouz war auch nett, nach Monaten der Online Kooperation 🙂

  3. Wirklich eine wunderschöne Differenzierung der Twitter Einträge! Es ist schon faszinierend was für ein Selbstläufer der kurz vor der Tagung eröffnete Twitter Hashtag wurde. Ich bin schon gespannt wieviele Einreichungen zum Thema Twitter es zur DeLFI und GMW im nächsten Jahr gibt.
    Veronika Mansmann (Organisationteam E-Learning2009)

  4. Hi!

    A ps to my earlier comment: Here’s a link to some images my students and I created to explain what we learned by blogging and twittering and where you will find a content analysis of twitter posts that is similar to yours: http://toolsmethods.posterous.com/what-sophie-learned-about-blogging. We are describing a learning curve whereby bloggers and twitterers learn the peculiar rhetoric of blogging as one piece of learning how to relate to each other, in the sense of communication protocols, professionally and socially. Enjoy! Bruce

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